Die Scheinheiligkeit des politisch korrekten Konsums

Händl und Spanferkel

Massentierhaltung, Grassierender Klimawandel, grausame Arbeitsbedingungen – Das ist unsere Welt. Mit verantwortungsvollem Konsum können wir ein Zeichen für mehr Fairness und Nachhaltigkeit setzen. Doch auf dem Weg zum Gutmenschen wird die Doppelmoral zur lästigen Gefährtin.


Bald ist es soweit. Ein Traum wird wahr. Mit drei Freunden, einem Baby und meiner Schildkröte Rudi ziehe ich in ein schnuckeliges Häuschen mit Garten. Als moderne, verantwortungsbewusste Menschen ist Nachhaltigkeit für uns ein wichtiges Thema. Da geht es schon los bei der Gründung eines WG-Kontos. Wir entschieden uns für eine Bank, die sich mit Attributen wie nachhaltig, sozial, ökologisch und transparent brüstet. Das hat ihren Preis. Aber stattdessen einen Pakt mit dem Teufel abzuschließen – in dem Fall also mit einer nicht-Öko-Bank – das kommt uns nicht in die Tüte. Wir wollen ja auch Ökostrom. Was andere Konsumgüter angeht sind wir aber nicht so streng. Ist das nicht irgendwie scheinheilig?

Das ewige schlechte Gewissen

Was den gemeinschaftlichen Einkauf angeht, waren wir uns einig: „Gut, dass wir keine militanten Vegetarier sind“. Ab und zu mal ein Bio-Steak ist doch vertretbar, so lange es nicht jeden Tag ist. Flexitarier Style eben. Der ein oder andere nachhaltigkeitsbewusste Konsument würde hier allerdings die Nase rümpfen – irgendwie auch zu Recht. Und was entgegne ich? Ich bin mit Fleisch aufgewachsen. Die Ernährung aus meiner Kindheit suggerierte mir: Ohne Fleisch fehlt was. Wäre da nicht das schlechte Gewissen gegenüber den Tieren und unserer Umwelt. Wenn Kühe pupsen und rülpsen stoßen sie gleichzeitig große Mengen klimaschädliches Methangas aus. So witzig das zunächst klingt: die Ökobilanz des derzeitigen globalen Fleischkonsums ist schlichtweg miserabel. Vom Wasserverbrauch der Fleischproduktion ganz zu schweigen. Spätestens jetzt sollte mir doch der Appetit auf Fleisch restlos vergangen sein. Und dennoch lachen sie mich an, die Hühnerbrust, das Kotelett, die Bärchenwurst. Trotzdem lieber Gutmensch sein und nur noch vegetarisch leben?

Die Doppelmoral des Gutmenschen

Ich erinnere mich an eine Diskussion mit einem überzeugten Vegetarier, der täglich Artikel auf Facebook teilte, um darauf hinzuweisen, wie schlecht Fleischkonsum ist. Das hatte schon einen leicht nervigen, missionarischen Charakter mit der Botschaft: „Wenn du Fleisch konsumierst bist du ein schlechter Mensch“. Was mich daran so störte war, dass die gleiche Person sofort zum Apple Shop lief, wenn das neue Iphone auf dem Markt ist, obwohl das alte Handy noch völlig in Ordnung war. Dass der Abbau von Coltan, das für unsere Handys benötigt wird, mitunter einen Bürgerkrieg im Kongo finanziert, schien ihm nicht wichtig zu sein. Mehrfach im Jahr in den Urlaub zu fliegen und damit Schadstoffemissionen zu fördern auch nicht. Klingt sehr nach Doppelmoral, oder? Als Fleischkonsumentin bin ich zwangsläufig mit dem Vorwurf konfrontiert, am Mord von Tieren und am Klimawandel beteiligt zu sein. Den Vorwurf weise ich auch nicht ab. Sich als Vegetarier zum Gutmensch zu machen und andere zu missionieren, während man sonst einem politisch unkorrektem Livestyle frönt, finde ich aber unangebracht. Aber was ist die Lösung? Gibt es überhaupt die vollkommene politische Korrektheit?

Bewusst leben – nicht missionieren

Egal ob Fleischkonsum, Flugreise, Handykauf, Billig-Kleidung oder der Elefantenritt auf der Indienreise – alltäglich scheinen wir vor die Wahl gestellt zu werden ob wir ein guter oder ein schlechter Mensch sein wollen. Doch in jeder Lebenslage eine politisch korrekte Entscheidung zu treffen, gleicht einer unmöglichen Mission. Nur die wenigsten Menschen können auf ein Handy verzichten, andere können sich fair produzierte Kleidung schlichtweg nicht leisten. Ergo stehen wir alle am Pranger der Scheinheiligkeit, oder zumindest in der Nähe. Wir sollten uns also nicht anmaßen, anderen zu demonstrieren, was für schlechte Menschen sie sind. Wir sind es ja alle – irgendwie. Doch anstatt uns zu geißeln, sollten wir uns selbst bewusst machen, in welchem Bereichen unser Konsum verändert werden kann, um zu mehr Fairness und Nachhaltigkeit beizutragen. Gleichzeitig sollten wir uns bewusst machen: Wenn es um politisch korrekten Konsum geht, ist kein Mensch unfehlbar.

 

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Käthes Empfehlung:

Der dänische Dokumentarfilm „Blood in the Mobile“ ist zwar schon etwas älter, aber weiterhin exemplarisch, wenn es um die Darstellung des konfliktbehafteten Abbaus von Mineralien für unsere Handys geht. Ich habe ihn damals bei einer Konferenz für Investigativjournalisten in Südafrika gesehen und erinnere mich, dass der ganze Saal danach geheult hat. Harter Tobak. Aber sehr empfehlenswert, um sich das Problem mit unseren Handys bewusst zu machen.

 

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