
Total dekadent? Hedonisten & ihre Kritiker

Es war ein sonniger Sonntag. Eigentlich wollten Freddy und ich nur ganz gediegen ein Eis essen gehen. Und dann Wäsche waschen, was Nützliches machen. Plötzlich fanden wir uns mit einem kühlen Radler in der Hand feiernd auf den Kölner Straßen wieder. Ein ganz normaler Sonntag? Für einen Hedonisten schon.
Meine Oma würde hingegen mit so einem Spruch wie „diese jungen Leute sind nur am feiern“ um die Ecke kommen, begleitet von heftigem Kopfschütteln. Damit ist sie nicht die Einzige. Für viele scheint Hedonismus ein egoistischer, dekadenter und genusssüchtiger (unmoralischer, fauler…) Lebensstil zu sein. Gleichzeitig wird man vom Angebot an Partys, Festivals und Straßenfesten, die alle an unseren hedonistischen Lebensstil appellieren, fast erschlagen. Soll man dieses Angebot aus ethischen Gründen nicht nutzen? Und warum ist es eigentlich so schlimm, ein Hedonist zu sein?
Hedonismus aus philosophischer Sicht
Entgegen der alltäglichen, kritisch-abwertenden Haltung ist die philosophische Perspektive auf den Hedonismus ziemlich positiv. In der Philosophie wird er als Theorie des guten Lebens verstanden. Die entsprechende Maxime lautet demnach: Ein lust- und freudvolles Leben ist ein gelungenes und gutes Leben. (Lebens-)Freude und Genuss werden also als etwas Wertvolles betrachtet. Vertreter des Hedonismus gehen davon aus, dass unser Leben zeitlich begrenzt ist. Entgegen dem Gemunkel um ein Leben nach dem Tod konzentrieren sich Hedonisten auf das Hier und Jetzt. Ein Hedonist lebt also im ständigen Versuch, sein Leben im Diesseits sinnvoll und gemäß seinen Möglichkeiten optimal zu gestalten. Kein Wunder, dass dieses Lebenskonzept gerade in unserer christlich geprägten Welt bisher wenig Befürworter fand (denn hier geht es doch eher darum, im irdischen Leben Entbehrungen zu machen, um dann im Jenseits erlöst zu werden – so oder so ähnlich). Mit anderen Worten geht es beim Hedonismus also darum, das Beste aus seinem (irdischen) Leben rauszuholen. Warum also die Empörung?
Moral und Disziplin
Das alltägliche Verständnis von Hedonismus weicht eben von der philosophischen Variante ab: Hedonistische Lebensfreude heißt hier Verschwendung und Dekadenz. Moralisch also höchst verwerflich. Aber was bedeutet eigentlich Moral? Im Grunde umfasst sie die Handlungsprinzipien, -Muster und –Regeln, die in einer Gesellschaft als solche anerkannt und praktiziert werden. Sie entspringen einer bestimmten Ethik. Was man sich auch im Hinblick auf den Hedonismus bewusst machen muss ist, dass diese Ethik ja auch menschengemacht, also konstruiert ist. Ich will die moralischen Werte in unserer Gesellschaft keineswegs verurteilen. Jedoch gehen diese aus einem althergebrachten Ethikkodex hervor, der an der ein oder anderen Stelle „sanierungsbedürftig“ geworden ist. Lange Zeit stellte dieser Kodex die Disziplin als Schlüssel zum Glück in den Vordergrund. Von nix kommt nix. Besser Wäsche waschen als sonntags feiern gehen. Zugegeben: Die Disziplin als zentrale Handlungsmaxime zu hinterfragen ist schwierig, wenn man sie gewohnt ist – Diese durch einen hedonistischen Lebensstil zu ersetzen ebenfalls. Hedonismus zu verstehen und zu leben muss also gelernt werden. Die Moralkritik am Hedonismus ist dennoch unangebracht und lässt bei mir die Frage aufkeimen: Was ist das unmoralische am Hedonismus, wenn doch die optimale Gestaltung meines Lebens im Vordergrund steht? Ich bin davon überzeugt, dass Hedonismus Moral keineswegs ausschließt.
Macht, was ihr wollt!
Klar, wenn ich mir auf jeder Outdoor-Party zwei Tonnen Mikroplastik-Glitzer ins Gesicht schmiere ist das aus ökologisch-ethischer Sicht sicherlich kritikwürdig (auch wenn ich Glitzer liebe). Aber das Streben nach Freude und Genuss zu beanstanden und schlichtweg zu sagen, es sei unmoralisch ist doch irgendwie Banane, oder? Ergo: Genuss und Lebensfreude bedeuten für jeden von uns etwas anderes. Die einen trinken Alkohol, die anderen singen im Chor oder finden als Gipfelstürmer in den Alpen ihre Erfüllung. Als Fan des hedonistischen Ansatzes wünsche ich mir für euch: Findet heraus, was euch Erfüllung bereitet und lasst euch deswegen nicht kritisieren. Ihr habt nur dieses eine Leben. Lasst euch nicht von einem veralteten Moralkodex vordiktieren, wie ihr dieses zu gestalten habt! Denn am Ende bleiben uns die freudigen Erlebnisse am meisten in Erinnerung.
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Käthes Empfehlung:
Falls ihr das kurze Video über Hedonisten noch nicht kennt, zieht es euch rein!